…..endlich haben meine Frau und ich es bis zur Autobahnauffahrt geschafft. Es ist ein später Samstag Nachmittag und wir sind auf dem Rückweg von Duisburg nach Salzhausen. Knapp 300 Kilometer liegen nun vor uns – Zeit zum Reden und zum Nachdenken über meine gerade bestandene Prüfung zum 1. DAN (Schwarzgurt) im Karate.
Im Nachhinein wirkt das alles wie ein intensiver Traum den man gerade durchlebt hat…. – aber es ist Wirklichkeit: Neben meiner Sporttasche mit dem durchgeschwitzten Gi liegt meine Urkunde!!!
Während wir Kilometer um Kilometer Richtung Heimat fahren, kehren meine Gedanken in die Zeit und den Ort zurück, an dem der Plan für die „Operation 1. DAN“ reifte…..
….Die Uhr dreht sich um 2 Jahre zurück: 26. Oktober 2019 in einer Sporthalle, die den Charme der 70er-Jahre versprüht: Der Schweiß läuft mir am ganzen Körper herunter, mein Gi hat davon große Flecken bekommen, - in diesem Moment ist mir das alles egal, denn ich habe gerade auf einem Karatelehrgang in Halstenbek die Prüfung zum 1. Kyu bestanden (nach vier Jahren intensiven Trainings, 3-4 / Woche). Damit habe ich den letzten Schülergrad im Karate erreicht. Der nächste Schritt wäre dann der erste Meistergrad (Schwarzgurt). Innerlich schnaufe ich durch, sich so etwas mit 61 Jahren anzutun, da gehört schon ein gehöriges Maß an Leidensfähigkeit dazu.
Der Nachsatz der beiden Prüfer klingt in diesem Moment wie Donnerhall in meinen Ohren:
….„Und im nächsten Jahr sehen wir uns dann zur DAN-Prüfung wieder“……
Damit hatte ich so gar nicht gerechnet! Natürlich freue ich mich riesig und marschiere als nächstes zu unserem Trainer Rudi, der sich auch die Prüfung angesehen hat und erzähle ihm die Neuigkeit… Er lächelt milde und wiegt den Kopf hin und her…. „Na ja, das muss man erstmal sehen…“
Aber egal, in diesem Moment freue ich mich einfach riesig über den 1. Kyu und dann sehen wir weiter.
Gut drei Monate vergehen in denen natürlich intensiv weiter trainiert wird. Dann reift der Entschluss, sich für die Prüfung zum 1. DAN vorzubereiten. Die Trainingsintensität wird von 3 x pro Woche auf 5 x pro Woche herauf geschraubt. Für den sechsten Tag muss meine Frau, die auch selber Karate macht, zu Hause „herhalten“.
Und los geht es, es wird trainiert was der Körper hergibt, bis die Schwarte kracht. Schließlich arbeitet die Zeit in doppelter Hinsicht gegen mich. Ich werde 62 Jahre „alt“ und die Monate bis zum anvisierten Prüfungstermin vergehen wie im Flug…. – bis Corona zuschlägt!
Trainingspause? NATÜRLICH NICHT! Der Hausflur wird zum Dojo umfunktioniert. Dreimal pro Woche kommt unser Trainer online „zu Besuch“. Auch jetzt entgehen unserem Sensei etwaige Fehler bei der Ausführung der prüfungsrelevanten Techniken nicht! Manchmal habe ich das Gefühl, dass bei den Korrekturanweisungen nur noch mein Name genannt wird – aber einen Meistergrad im Karate erwirbt man halt nicht mal eben im Vorbeigehen!
Corona hält uns alle noch bis März 2021 fest im Griff. Langsam normalisiert sich dann aber die Situation, das Training kann endlich wieder im Dojo stattfinden.
Jetzt heißt es durchhalten und intensiv weiter trainieren – aber bloß nicht ernsthaft verletzen, im Oktober 2021 soll es soweit sein!
Unser Trainer Rudi legt nochmal eine Schippe drauf und an den Sonntagen werde ich durch unseren Co-Trainer Devis „den Italiener“ geschliffen. Jede freie Minute wird trainiert, zu Hause sammelt meine Frau blaue Flecke, da sie dort mein Sparringspartner ist.
Drei Wochen vor Ultimo dann der große Schreck: Der Lehrgang, an dem die Prüfung stattfinden soll, wird wegen einer Verletzung einer Prüferin abgesagt. Glücklicherweise bietet der DKV (Deutscher Karate Verband) aber nur zwei Wochen später einen Ersatz-Prüfungstermin in Duisburg an…..
…..der Rest ist die Geschichte……